Joseph Woelfls Grande Sonate pour Pianoforte op. 41 “Non plus Ultra”
Joseph Woelfls Klaviersonate op. 41 mit dem Beinamen Non plus Ultra führt uns nach London. Dort hat sie der Komponist Ende 1807 zu Papier gebracht und ein halbes Jahr später dem Londoner Publikum vorgestellt. Der Beiname Non plus Ultra bezieht sich auf die ungewöhnlichen technischen Schwierigkeiten der Sonate, insbesondere auf die ausgiebige Verwendung von Terzen-Parallelen und waghalsigen Sprüngen, wie sie erst wieder bei Liszt vorkommen. Die anfängliche Weigerung des Verlegers, die Sonate zu drucken, ist ein schöner Beleg dafür, wie außergewöhnlich die hohen technischen Anforderungen für die Zeit waren. Woelfl hat den guten Mann erst dann von der Spielbarkeit seines Werkes überzeugen können, als er sich selbst ans Klavier setzte und die Sonate ohne Fehl und Tadel durchspielte. Ausgerechnet dieses schwierige Werk sollte eine der beliebtesten und am häufigsten verlegten Klaviersonaten des frühen 19. Jahrhunderts werden. Dieses Paradoxon lässt sich damit erklären, dass die Sonate op. 41 musikalisch sehr ansprechend geraten ist und sich überdies in ganz und gar klassischer wenn auch erweiterter Formgebung präsentiert.
Den Kopfsatz gestaltet Woelfl ganz regelkonform als Sonatenhauptsatzform mit langsamer Einleitung, in der das Hauptmotiv mit seinem fallenden Quartschritt bereits anklingt. In der mit drei Themen ausgestatteten Exposition wird es mit flink bewegten Terzketten kombiniert, die kurz darauf in die linke Hand wandern, während die Rechte das Quartthema intoniert. Bemerkenswert ist das sich in volltönendem C-Dur aussingende Seitenthema, welches ein wenig an das Adagio-Thema aus dem langsamen Satz in Beethovens Klaviersonate op. 53, der sogenannten „Waldstein-Sonate“, erinnert. In der Durchführung verteilt Woelfl das Hauptthema auf weit auseinanderliegende Register und zwingt den Pianisten zu extrem weiten Sprüngen. Anschließend überrascht er den Hörer mit einem kurzen Fugato, was für den Bach-Verehrer Woelfl allerdings nicht ungewöhnlich ist. Der langsame Satz ist mit nur 24 Takten denkbar knapp gehalten und bietet eine instrumentale Arie mit reich verzierter Melodiestimme samt gefühlvollem Minore-Teil. Eine kurze Coda leitet attacca ins Finale über, ein Variationen-Satz über das Volkslied „Freut Euch des Lebens“. Er ist das eigentliche Filetstück der Sonate und wurde häufig auch einzeln verlegt. Woelfl schreibt insgesamt neun Variationen, in denen er das gesamte Arsenal seiner virtuosen Klaviertechnik einsetzt. In den Variationen II und III dominieren rasche Dreiklangs-Brechungen in der linken und rechten Hand. Variation Nr. VI ist eigentlich eine Oktavenetüde, und in der siebten Variation löst Woelfl das Thema vollständig in Triller auf. Die spektakulärste Variation ist aber die achte, in der Woelfl für die rechte Hand waghalsige Sprünge zwischen weit auseinanderliegenden Registern vorschreibt. Solche sprunghaften Eskapaden hat erst wieder Franz Liszt in seiner Klavieretüde „La Campanella“ gewagt. Nach der darauffolgenden Terzen-Variation kehrt das Variationen-Thema wieder, und es ist mehr als wahrscheinlich, dass die Assoziation mit Bachs Goldberg-Variationen beabsichtigt ist.
Alkans Etüden 8-10, Concerto op. 39 (aus den Douze Études dans les tons mineurs)
Wenn von den immensen technischen Anforderungen der Klavierwerke Alkans die Rede ist, dann repräsentieren die 1857 veröffentlichten Douze Études dans les tons mineurs pour piano op. 39 das Non plus ultra der pianistischen Möglichkeiten um 1850. Tatsächlich geht Alkan in Sachen Klaviertechnik sogar noch über Liszts 1851 veröffentlichte Études dʼexécution transcendante hinaus. Der Klaviersatz ist weit orchestraler, kräfteraubender, und überdies muss der Pianist viel länger durchhalten. Etüde Nr. 8 umfasst unglaubliche 1434 Takte, mehr als die ganze Hammerklaviersonate. Das entspricht einer halben Stunde pianistischer Schwerstarbeit. Die drei von Margit Haider-Dechant eingespielten Etüden, zu denen auch die eben genannte achte zählt, bilden innerhalb der zwölf Etüden einen eigenen Zyklus mit dem in die Literatur eingegangenen Namen Concert sans orchestre. Damit spielt Alkan auf den Konzert-Charakter der Etüden an, die in Solo- und Tutti-Abschnitte gegliedert sind. Dass man in den Noten immer wieder auch Hinweise zu bestimmten Instrumentengruppen oder Orchesterinstrumenten findet, zeigt, wie sehr er die Stücke vom Orchesterklang her konzipiert hat.
Etüde Nr. 8 in gis-Moll ist folglich ein veritabler Konzertsatz mit doppelter Exposition (der Einsatz des Solisten ist durch Quasi-Solo gekennzeichnet), einer ausgedehnten Durchführung, bei der alle vier Themen bei ständigem Wechsel zwischen Tutti und Solo verarbeitet und weitergesponnen werden, sowie der obligaten Reprise samt Solokadenz mit „teuflisch schweren Tonrepetitionen“ (M.A. Hamelin) und triumphalem Tutti-Finale. Der zweite Satz ist ein ausdruckvolles Adagio mit Trauerrand, in dessen Zentrum ein mit Seufzer-Motiven durchsetzter Klagegesang in cis-moll (molto espressivo) steht. Ihm stellt Alkan ein chopineskes Thema in E-Dur gegenüber, mit dem sich die Stimmung zunächst aufhellt. Düstere Tremolo-Bässe lassen die Stimmung aber gleich wieder umkippen, und die Trommelschläge eines Trauermarsches rufen im Hörer das Bild eines Trauerkondukts hervor. Angesichts der Tatsache, dass Alkan das Adagio nicht lange nach Chopins Tod (17. Oktober 1849) geschrieben hat, ist es durchaus wahrscheinlich, dass er hier seinen Freund auf seine ganz persönliche Weise zu Grabe getragen hat. Den dritten Satz seines Concertos hat Alkan Allegretto alla barbaresca überschrieben, womit zuvorderst eine möglichst leidenschaftliche Vortragsweise gemeint ist. Es passt aber auch gut zum Charakter der Musik, die einem wilden Ritt durch verschiedene Länder und ihre musikalischen Idiome gleicht. Die Einleitung erinnert an den ungarischen Rakóczy-Marsch, der darauffolgende Abschnitt trägt eindeutig Züge einer stolzen Polonaise, die wiederum von einem wilden Tanz gefolgt wird, der Aram Khatchaturjans berühmtem Säbeltanz ähnelt. Ein salonhaft-lyrisches Thema steht dazu im denkbar schärfsten Kontrast. Alle genannten Themen werden im weiteren Verlauf einfallsreich variiert, wobei alle nur denkbaren Techniken virtuosen Klavierspiels zum Einsatz kommen: Rasend schnelles Passagen- und Oktaven-Spiel in beiden Händen, Akkordrepetitionen, Akkordtremoli, weite Sprünge und noch so einiges mehr, das jedem Pianisten den Schweiß auf die Stirn treibt. Hätte Alkan nur dieses eine Stück geschrieben, wäre er als einer der Begründer moderner Virtuosität in die Musikgeschichte eingegangen – einer Musikgeschichte ohne Tunnelblick.
02 Sonate Non plus Ultra, Andante:
03 Sonate Non plus Ultra, Adagio. Allegretto:
04 Concert sans orchestre, Allº assai:
05 Concert sans orchestre, Adagio:
06 Concert sans orchestre, Allegretto all barbaresca:
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